Liebe Pamina, hallo Papageno!
Wir schreiben März, wenn du diesen Rundbrief liest. Ich bin am Überlegen, ob mir der Februar als zu mild oder als grimmig vorkam. Jedenfalls gestaltete er sich zumindest bei uns als schneelos, aber in der ersten Hälfte als ziemlich bissig. Ich war zu dieser Zeit auf Vortragstour im Norden Deutschlands unterwegs. Wäre es mild gewesen, so wäre ich unruhig und hätte „Hummeln in der Hose“ gehabt, wie manche sagen, wenn sie von innerer Unruhe geplagt werden und tief in der Seele bereits der Frühling anklopft. So aber konnte ich die Tour einigermaßen ruhig angehen, wobei mich unterwegs an der Thüringischen Grenze gleich mal ein Schneechaos erwischte. Ich fürchte mich nicht davor, auf einer Schneepiste zu fahren, aber ich fürchte die anderen Verkehrsteilnehmer umso mehr! Etliche lagen im Graben, weil sie entweder ein zu schnelles Tempo fuhren oder sich gewagte Bremsmanöver zugemutet hatten. Aber bei mir ging gottlob alles glatt, im wahrsten Sinne des Wortes!
Die diesjährige Vortragstour hat mir große Freude bereitet, es waren stimmungsvolle Nachmittage unter so vielen Gleichgesinnten! Der jeweilige Saal war zwar nicht brechend voll, das lag wohl aber an der wohlweislichen Überdimensionierung. Wenn dir aber trotzdem weit über 100 interessierte Zuhörer lauschen, macht es mir erst so richtigen Spaß. Und je mehr Fragen, umso lieber ist mir das, denn dann weiß ich, dass sich Gedanken gemacht werden. Ich hatte neben meinen Büchern auch ein Sortiment russischer Phloxe mit, lauter scheinbar leere Töpfe, was will man um diese Zeit auch erwarten? Aber ein schönes, großes Bild dazu, jeder Topf wurde etikettiert, dann noch einige frühblühende Schneeglöckensorten und was mir sonst noch attraktiv erschien. Alles fand wider Erwarten großen Anklang. Bei Kaffee und Kuchen sich voll unter Seinesgleichen zu fühlen, während dem Abendessen in kleiner Runde den allgemeinen Gartenärger abzuarbeiten, vor allem aber seine positiven Erfahrungen zum Besten zu geben – ich möchte dies nicht missen, dies ist neben den Kunden zu Hause meine Art, mit Staudenliebhabern in Kontakt zu treten.
Diese Vortragstouren mache ich nun schon sehr lange und immer wieder gerne, auch wenn es Stress pur bedeutet! Und dieses Mal war ich obendrein auch noch ziemlich erkältet, noch dazu hatte ich bei der Rückfahrt riesiges Pech und doch gehöriges Glück im Unglück. Stell dir vor, mein Lieferwagen machte mitten auf der Autobahn kurz vor Nürnberg auf einmal schlapp, der Turbolader ging ein. Im Schneckentempo kam ich gerade noch zu guten Freunden bei Nürnberg und war danach gezwungen, anschließend mit dem Zug heimzufahren. Aber stell dir vor, mir wäre dies bei der Hinfahrt im Schneechaos passiert, nicht auszudenken!
Endlich gibt es sie wieder, die Aurikeltöpfe! Wir bieten diese seit vielen Jahren an, im Laufe der Jahre von den unterschiedlichsten Töpfereien. Unsere damalige Haus- und Hoftöpferin und enge Pflanzenfreundin Elselore Müller-Kraft verstarb urplötzlich vor einiger Zeit. Ihre Unikate waren sehr beliebt und fanden bei dir und deinen Freunden stets großen Anklang.
Nach Austesten einiger anderer Quellen freut es uns nun sehr, dass wir in Maria Bock eine potentielle Produzentin gefunden haben, die uns die klassischen, englischen Aurikeltöpfe („Long Tom“) anfertigt. Jeder Topf ist ein Unikat und unterscheidet sich jedoch nur geringfügig von den anderen. Maria Bock hat ihr Atelier im schönen Burgenland in Bernstein, dort, wo früher Serpentin abgebaut wurde. Und hier ihre Adresse:
Bock Keramik GesbR
Haslerstraße 8
7434 Bernstein / Austria
info@bernsteinbock.at
Marias Keramiken sind sehr begehrt und so dauerte es eine Weile, bis unser Nachschub fertig wurde. Sie töpfert nach Wunsch die Aurikeltöpfe auch in Alternativformaten oder glasiert diese auch farbig, ganz nach deinem Geschmack! Die reinen Tontöpfe kannst du mit Yoghurt bestreichen, dann bekommen sie diese Algenschicht, die ich sehr originell finde, andere hingegen mögen sie gerne clean! Du kannst die Aurikeltöpfe jederzeit auf unserer Website bestellen, siehe unter den Primula der Sektion Showauriculas. Sie werden einzeln in Kartons verpackt, absolut stoßfest in Noppenfolie, da kann nichts zu Bruch gehen!
Und wenn wir schon bei den Aurikeln sind, erzähle ich dir sogleich deren Entstehungsgeschichte. Ihren Ursprung hatten sie in Österreich und zwar gleich doppelt! Zum einen liegt ihr bekanntester Naturstandort, der sogenannte „Locus Classicus“ in einigen Seitentälern rundum den Brenner-Pass in Tirol, wo Kalk und Urgestein aufeinandertreffen. Genau dort fand man schon vor hunderten Jahren die Naturhybride zwischen der rotblühenden Behaarten Primel (Primula hirsuta, liebt Urgestein) und dem gelbblühenden Alpenaurikel (Primula auricula, kalkhold), genannt Primula x pubescens, die dort in allen möglichen Farbschattierungen vorkommt. Laut älterer Literatur wurden diese Primel-Naturhybriden in einigen Gärten der umliegenden Bergdörfer seit grauer Vorzeit als Gartenpflanze verwendet, ob man diese dort noch heute vorfindet, das wäre eine sehr spannende Frage! Irgendwann jedenfalls kamen diese Primelhybriden nach Wien, wo man anscheinend nicht sonderlich viel Interesse daran hatte und den Samen kurzerhand nach Belgien und in die Niederlande weitergab. So entstanden dort die „Luiker-Hybriden“ (Lüttich, Liege). Erst sehr viel später kamen diese in das Vereinigte Königreich, wo sie züchterisch weiterentwickelt wurden und dort mit der Zeit ein ungeahnter Hype entstand, der bis heute anhält. Es entstanden etliche Liebhabervereinigungen über das ganze Land verteilt, die sich mit Showauriculas, Selfs, Beetaurikeln und weiteren Klassifizierungen beschäftigen. Wie auch bei anderen Pflanzengattungen zählen auch hier Nuancen an Unterschieden, es entstanden regelrechte Wettbewerbe. Viele Aurikelliebhaber errichten ein sogenanntes Aurikeltheater, wo diese Schönheiten auf Stufen aufgestellt und gepflegt werden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass manche Sorten in Töpfen zu ungeahnter Schönheit heranwachsen, andere hingegen mickern ziemlich. Schauaurikeln benötigen einiges an Zuwendung, an Wasser und Dünger, ein halbschattiger Standort ist wichtig, niemals jedoch pralle Sonne! Jährliches Umtopfen ist notwendig, so beugt man dem Befall von Wurzelläusen vor. Ich mache dies im September, du kannst aber auch im zeitigen Frühjahr umtopfen. Wichtig ist ein lockeres Gemisch aus Kompost, Lehm, Sand, Kalksplitt und einigen Tontopfscherben, damit ein guter Wasserabzug gewährleistet ist. Wenn dich das Aurikelthema näher interessiert, so kann ich dir das ganz hervorragend illustrierte Buch „Die Aurikel – Geschichte und Kultur einer alten Gartenpflanze“ von Brigitte Wachsmuth und Marion Nickig empfehlen, welches vor 25 Jahren erschien und auch heute nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat!
Hier siehst du unser Aurikeltheater, das wir dieses Jahr auf einen anderen Platz umgestellt haben!
Und nun darf ich dir wiederum die fünf versprochenen Stauden vorstellen, besonders aber deren Pflege und Verwendung im Garten.
Crocosmia ‘Lucifer‘
Dies ist wohl die prächtigste aller Montbretien-Sorten! Es handelt sich um eine Sorte, welche schon sehr lange in Kultur ist, aber die man noch immer viel zu selten in den Gärten zu Gesicht bekommt. Ihre orangerote Blütenfarbe ist von einer unvergleichlichen Leuchtkraft, ihre Stängel werden etwa 100 cm lang! Du kannst diese exotisch anmutende Sorte an jeder beliebigen Stelle im Garten unterbringen, nur sollte der Pflanzplatz sehr sonnig sein, dazu ist ein durchlässiger, guter Boden vonnöten. Sehr gut passt ‘Lucifer‘ vor dunklem Hintergrund oder eine die Wärme abstrahlenden Mauer. Die Zwiebeln sollten etwa 10 cm tief in das Erdreich gepflanzt werden. ‘Lucifer‘ blüht jedes Jahr sehr zuverlässig und überrascht durch den guten Zuwachs, die Horste werden immer kräftiger! Durch die sehr gute Winterhärte kannst du die Zwiebeln an Ort und Stelle belassen und brauchst sie nicht wie Dahlien auszugraben. Wenn die Blüte nach vielen Jahren nachlässt, dann wird es Zeit, die Horste zu verjüngen.
Polygonatum orientale
Salomonssiegel hatten es mir seit jeher angetan! Die meisten von ihnen sind anspruchslos und genügsam, sie wachsen mit der Zeit zu breiten Horsten heran. Mit wenigen Ausnahmen zählen sie zu den Schattenstauden, wenngleich nebenbei einige Arten ziemliche Trockenheitskünstler sind. Einen von diesen möchte ich dir gerne vorstellen! Zum Formenkreis des Duftenden Salomonssiegel (Polygonatum odoratum) gehören noch weitere Arten, welche alle ein Merkmal besitzen, mit dem man sie leicht identifizieren kann: sie besitzen einen kantigen Stängel. Der Duftende Salomonssiegel kommt an trockenen Standorten auf Kalkfelsen vor, er wächst mit seinen Rhizomen stark in die Breite und kann an zusagenden Stellen ziemlich dominieren. Nach Osten wird er von P. latifolium (P. hirtum) abgelöst, welcher breitere Blättchen besitzt, ansonsten jedoch kaum unterscheidbar ist. In Wien trifft man allenorts auf ihn, in den großen Parks und natürlich auch außerhalb in der näheren und weiteren Umgebung Wiens. Noch weiter im Osten, in Kleinasien, dem Kaukasus und im Iran trifft man auf P. orientale, jene Art, die ich dir heute schmackhaft machen möchte! Auch hier sind die kantigen Stängel kennzeichnend. Besonders markant aber sind seine unzähligen, kleinen, weißen Blütchen, die Laubblättchen stehen sehr typisch schräg nach oben ab. Auch diese etwa 50 cm hohe Art verträgt unglaublich Trockenheit, wenn sie einmal eingewachsen ist. Der Orientalische Salomonssiegel ist nicht sehr verbreitet, um so mehr Augenmerk solltest du ihm schenken!
Zwischendurch wieder einmal eine fernöstliche Schönheit, und zwar aus Japan und Korea. Die Wachsglocke (Kirengeshoma palmata) ist schon sehr lange in Kultur, aber durchaus immer noch keine Allerweltsstaude! Ausgewachsene Pflanzen erreichen monumentale Schönheit, doch sollte man einige Dinge beachten, dass aus der frisch gepflanzten Wachsglocke kein Mickerling wird. Ein kühler Standort in nährstoffreichem, humosem Boden ist optimal, ich denke hierbei immer an eine leichte Senke im Schatten zwischen Astilben, Eisenhut und Farnen, aber rechne locker einen Quadratmeter an Platz für ein Exemplar ein! Den Idealstandort findest du in der Nähe eines Teiches oder Gewässers im Halbschatten. Es existiert noch eine zweite Art (Kirengeshoma koreana), die sich allerdings nur geringfügig von K. palmata unterscheidet, sie wird höher und besitzt hellere Blüten. Die spitzahornähnlichen Blätter und Blüten der Wachsglocke sind von einer dünnen Wachsschicht überzogen, daher ihr Name. Du kannst diesen Herbstblüher gekonnt in Szene setzen, vorausgesetzt, du hast entsprechendes Kleinklima, denn ausgewachsene Exemplare sind selten und eine Augenweide, etwas ganz Besonderes!
Scabiosa caucasica ‘Gudrun‘
Eine gefülltblühende Scabiose? Die gibt es tatsächlich! Sie ist in Ostdeutschland entstanden und war noch vor wenigen Jahren kaum verbreitet. Ich entdeckte sie in Thüringen bei einem Staudengärtnerkollegen und musste ihr auf der Stelle habhaft werden. Bis Scabiosa caucasica ‘Gudrun‘ in größeren Stückzahlen zur Verfügung stand, dauerte es naturgemäß einige Zeit. Die tief gefüllten Blüten sind eine Schau und eignen sich überdies auch hervorragend zum Schnitt. Im Garten verlangt sie lockeren, guten Boden in voller Sonne. Du solltest sie alle paar Jahre verjüngen und umpflanzen, damit sie nicht innen verkahlt.
Globularia meridionalis
Kugelblumen hatten mir es schon immer angetan! Botanisch schwer auseinanderzuhalten, jedoch einfach in ihrer Pflege erfreuen sie ihre Besitzer über viele Jahre. Besonders begeistert bin ich jedes Jahr von neuem über G. meridionalis, welche zu kompakten, sehr dichten, kleinen Polstern heranwächst und im Juni mit tintenblauen, runden Blüten überreich blüht. Hier haben wir es mit einer reinen Steingartenstaude zu tun, welche auch in Trögen problemlos wächst. Die Pflege ist denkbar einfach, ein sonniger Standort in einem Lehm-Sand-Gemisch, welches mit Kalksplitt durchsetzt ist. Auch nach Jahren merkt man keinen „Schwächeanfall“, die Pölsterchen sind nach wie vor dicht und hart. Besonders attraktiv zeigen sich alteingewachsene Exemplare während der Blüte. Neben dieser selten vorzufindenden Art ist am meisten Globularia cordifolia verbreitet, sie wächst flächig und benötigt wesentlich mehr Platz in deinem Steingarten.
Im Schaugarten machen mir die Wühlmäuse Sorgen, besonders aber bringt mich der Maulwurf in Rage. Riesige Haufen hat er aufgetürmt! Kleinere Haufen lassen sich auseinanderrechen, nicht aber diese Massen an Ansammlungen. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als Schaufel und Schubkarre zur Hand zu nehmen, sowie anschließend mit einer Walze über den Rasen zu fahren, um die Rasenfläche wieder einigermaßen eben zu bekommen. Im Sommerhalbjahr beschränken sich die Aktionen des Maulwurfes auf wenige Tätigkeiten, dafür ist es im Winter umso schlimmer!
Was gibt es sonst noch Neues? Anfang Januar starb einer meiner engsten Mentoren, dem ich es zu verdanken habe, dass ich noch heute in Begeisterung schwelge, wenn es um Stauden geht. Meine erste Stelle als Staudengärtner trat ich in der bekannten Baumschule Hauenstein in Rafz in der Schweiz an, etwa eine halbe Stunde nördlich von Zürich gelegen. Dort wurde die damals sehr modern eingerichtete Staudenabteilung von Domenico Tommasini (unter Freunden Meno genannt) geleitet, einem sehr umtriebigen Chef, der junge Menschen für Stauden begeistern konnte, vorausgesetzt, sie interessierten sich von ganzem Herzen für die Materie. Meno war ein international anerkannter Staudenfachmann. Ich ließ mich von seinem Enthusiasmus anstecken, er erzählte mir von seinen vielen botanischen Reisen, ich half ihm in meiner Freizeit in seinem Garten, wir unternahmen zusammen Fahrten in Botanische Gärten und zu Kollegen. Wir trafen uns Jahre später immer wieder anlässlich von Delegiertenversammlungen der I.S.U. (Internationale Staudenunion), wir verloren uns in all den langen Jahren nie aus den Augen, sondern beglückten uns gegenseitig mit Pflanzenmitbringsel, wenn wir uns besuchten. Nun hat Meno im neunzigsten Lebensjahr seine letzte Reise angetreten, ich wünsche ihm sein ewig blühendes Staudenreich!
Unsere Staudengärtnerei startet wieder am Freitag, den 28. Februar mit der Schneeglöckchenwoche in das neue Gartenjahr. Wir freuen uns schon auf deine Besuche zu den gewohnten Öffnungszeiten, die du auf unserer Website findest. Derweil sieht alles sehr gut aus und ein erneuter Wintereinbruch bleibt uns hoffentlich erspart. Mit dem Versand deiner Stauden beginnen wir Mitte März, zu früh ist kontraproduktiv, denn du willst ja von deinen Stauden schon etwas sehen. Und ich bin auf‘s Äußerste gespannt, was für Vorlieben du in diesem Jahr hegst!
Ich wünsche dir einen sonnigen Frühlingsstart, dir alles Gute!
Dein Staudengärtner Sarastro
Christian H. Kreß und MitarbeiterInnen Sarastro-Stauden Christian H. Kreß Ort 131 4974 Ort im Innkreis Austria/Autriche office@sarastro-stauden.com www.sarastro-stauden.com +43 664 261 0362 |